Donnerstag, Juni 22, 2006

Der Callas unerwünschte Erkenntnis

Ich bin noch immer nicht ganz sicher, ob ich über diesen Tag froh sein oder ihn am besten vergessen soll. Aber fangen wir ganz am Anfang an.
Die Eingeweihten wissen wahrscheinlich schon in groben Zügen, was los war. Heute war ein lustiger Dienst im Theatermuseum angesagt. Wie vielleicht schon bekannt ist, gibt es im Theatermuseum momentan eine Sonderausstellung zum Thema Maria Callas. Ums gleich vorweg zu nehmen: Bisher war mir die Guteste ziemlich wurscht. Seit heute kann ich sie nicht ausstehen. Aber es gab mir viel Zeit und Gelegenheit einige Dinge zu durchschauen. Manche nicht ganz freiwillig, aber was solls.

Vorher möchte ich vielleicht noch ein paar Worte zu meinen Kollegen verlieren. Ich bin normalerweise nicht jemand, der andere an den Pranger stellt, aber hier muß es einfach raus. Zwei Personen, eine weiblich eine männlich. Ich hab mich selbst bisher nicht übermäßig hoch in der sozialen Hierarchie eingestuft, aber so gesehen habe ich einen interessanten Eindruck von den beiden aus der Vogelperspektive bekommen. Sowohl Aussehen als auch Verhalten haben darauf schließen lassen, daß die beiden den Begriff Selbstvertrauen bestenfalls aus dem Wörterbuch kennen. Richtig aufbauende Persönlichkeiten. Brrr...
Der depressiven Stimmung war somit Tür und Tor geöffnet.

In der ersten halben Stunde kamen dann in etwa genau so viele Leute wie ich bisher insgesamt bei allen bisherigen Diensten im Theatermuseum gesehen hab. Was zum...?

Gegen Mittag kam dann ein japanisches Päärchen, daß sich etwa vier Minuten in dem Museum aufgehalten hat. Sie kamen, sind einmal durchgegangen, ohne irgendwo stehen zu bleiben und sind wieder gegangen. Hier kam dann die erste Erkenntnis: Japaner sind nicht an den Dingen interessiert, die sie besuchen. Sie sehen sie sich nicht an, sondern sie photograpieren sie nur, um nachher beweisen zu können, daß sie dort gewesen sind. Die Sache an und für sich ist austauschbar. Hauptsache sie können vor anderen ihr Ego streicheln.

Die zweite Erkenntnis klingt bei genauerer Betrachtung wie logisch fundierte Hirnwichserei. Wenn man einen Tag lang in den "Genuß" von Callas Gekreische gekommen ist, kommt man nicht umhin, sich darüber Gedanken zu machen. Und vor allem Vergleiche anzustellen.
Preisfrage: Was haben Oper und Death Metal gemeinsam?
Antwort: Beide Sänger bewegen sich im gegenüberliegenden Extrem des Gesangspektrums. Und zwar in einem Bereich, wo ein ungeübter keine Ahung mehr hat, was die da eigentlich von sich geben. Es ist einfach nur noch eine Folge von Lauten, auf der einen Seite gegrunzt auf der anderen gekreischt. Und um da noch einen Sinn hineinzubringen bedarf es wohl einiger Übung und Vorauswissen.

Die dritte und deprimierendste Erkenntnis kam dann bei der Betrachtung der Besucher. Ich werde versuchen da einen geordneten Sinn rein zu bringen. Mal schaun obs klappt.
Die, welche sich länger als fünf Minuten bei der Callas aufgehalten haben, waren nämlich alle über vierzig und definitiv der Kategorie "spießige Versager" zuzuordnen.
Warum stehen ausgerechnet die auf sowas? Und was sagt das über Kunst im Allgemeinen aus?
Ich würde sagen, daß Kunst nur eine spezielle Form des Fetishes ist. Das muß nicht unbedingt (aber möglicherweise) etwas mit Sex zu tun haben, ist aber definiv etwas, was mit einer Art der Erregung zu tun hat. Ich meine, welchen Sinn hat den Kunst sonst? Wenn man die vier großen F der Bedürfnisse hernimmt (Fight, Flee, Feed and F...), dann ist es bei genauerer Betrachtung klar wo das hineinfällt. Kämpfen fällt wohl flach, da sie schon lange nicht mehr existiert, geflohen sind sie auch nicht (trotz des Krachs... aber lassen wir das), fressen wär ordentlich krank also bleibt nur noch eines übrig. Ist zwar auch nicht gerade die Achtung vor den Menschen bewahrendste Altenative, aber macht wenigstens noch mehr Sinn als der Rest. Vor allem, da die seltsamsten Individuen anscheinend am meisten von ihr fasziniert waren. Ersatzbefriedigungen können die seltsamsten Formen annehmen. Pawlow und Skinner hatten ja keine Ahung, was ihre Erkenntnisse alles implizieren. Ist vielleicht besser so.
Ach ja, ich halte die Netrebko für eine Ersatzbefriedigung, für alle, die noch immer der Callas hinterherweinen.
Nein, der Dienst heute hat mir wahrscheinlich nicht gut getan.

Damit der Tag aber nicht ganz für die Katz war, hab ich heute zufällig ein paar Leute getroffen.
Zuerst in der Früh meine Schwedischprofessorin. Nur kurz mit ihr geredet. Aber sie wußte auf Grund des Anzugs sofort, wohin ich unterwegs war.
Auf dem Nachhauseweg vom Museum hab ich dann vor dem Stephansdom Fräulein N. getroffen. Die wartete gerade auf eine Freundin aus Amerika, welche gerade einen Eurotrip macht. Wir haben uns dann noch eine Stunde zusammen in ein Cafe gesetzt und uns über Reisen, Politik und das amerikanische Schulsystem unterhalten. Auf jeden Fall hatte ich Gelegenheit mal wieder etwas englisch zu sprechen. Hat gut getan.